Erläuterungen zum Stabreim und den Sagen
In den nachfolgenden Zeilen soll der Aufbau des Stabreims erklärt werden. Die Recherche-Arbeit übernahm Droman Sigulfsson und Herkunft dieser Erklärungen ist schlussendlich Wikipedia.
Die Bezeichnung Stabreim geht auf Snorri Sturluson (1178-1241), den Verfasser der Snorra-Edda zurück. Dort tritt stafr (Stab, Pfeiler, Buchstabe, Laut) in der Bedeutung "Reimstab" auf.
Die Stabreimdichtung war ursprünglich eine mündliche Rede.
Grundaufbau
Hersir uns hilf , den Hügel zu erstürmen.
Anvers ---------- Zäsur -- Abvers
In diesem Satz gibt es vier Wörter, deren Anfang ein Skalde besonders betont hätte. Drei der betonten Silben staben (blau markiert), die vierte Silbe ist stabfrei (grün markiert).
Die Grundstruktur besteht aus Anvers, Zäsur und Abvers.
Im Anvers treten in der Form der germanischen Langzeile und Fornyrðislag ein bis zwei Stäbe auf, dagegen darf im Abvers nur ein Stab auftreten, welcher immer auf das erste der beiden Wörter fällt. Das zweite betonte Wort bleibt dagegen stabfrei. Da dieser Teil des Stabreims immer gleich bleibt, nannte ihn Snorri Sturluson in seiner Snorra-Edda Hauptstab (hofuðstafr). Die Stäbe im Anvers nannte er Stützen (stuðlar).
Die germanische Langzeile
Ursprünglichste der germanischen Stabreimverse und Vorlage für alle späteren eddischen und skaldischen Versmasse.
Regeln
- eine Langzeile besteht aus zwei Halbzeilen (An- und Abvers), getrennt durch die Zäsur
- pro Halbzeile zwei betonte Wörter (Hebungen)
- im Anvers stabt das erste oder das zweite betonte Wort oder beide zusammen
- im Abvers stabt immer das erste betonte Wort, das zweite nie.
- die Anzahl der unbetonten Wörter im Ab- und Anvers ist beliebig.
Ausserdem wird die unterschiedliche Gewichtung der Wortklassen bei der Verteilung der Stäbe beachtet. Das Germanische ist eine ausgeprägte Nominalsprache. Daher werden Nomina (Substantive, Adjektive etc.) öfters betont und gegenüber Verben bevorzugt mit Stäben versehen. Die meist unbetonten Formwörter (Pronomen, Hilfsverben, Konjunktionen etc.) tragen nur in seltenen Ausnahmen den Stab.
Fornyðislag (Altredeton)
Steht der Langzeile am nächsten. Die Bezeichnung (siehe Übersetzung) zeugt vom hohen Alter der Form. Kommt fast nur in den Helden- und Götterliedern der Edda vor und unterscheidet sich von der Langzeile vor allem durch seine strophische Form.
Ár var alda, þar er Ýmir bygði,
vara sandr né sær, né svalar unnir,
jörð fannsk æva, né upphiminn,
gap var ginnunga, en gras hvergi.
Früh war’s der Zeiten, da Ymir lebte,
war nicht Sand noch See, noch kühle Wogen,
Erde gab es nicht, noch Obenhimmel,
der Schlund des Weltraums war, und Gras nirgends.
Völuspá, 3
In der frühen germanischen Langzeile war eine Zeile meist auch ein vollständiger Satz. In der epischen Langzeilendichtung geht der Satz meist über zwei Zeilen (z.B. Beowulf). Im Fornyðislag sind Sätze über vier Zeilen und mehr keine Seltenheit.
Ljóðaháttr (Strophenvers)
Überall wo in der Edda eine Spruch- und Merkdichtung vorkommt, z.B. Hávamál, tritt das Ljoðaháttr-Versmass auf. Der Unterschied zur Langzeile besteht in der strophischen Form, die jeweils eine Langzeile und eine Vollzeile, d.h. eine zäsurlose Zeile, die in sich stabt, kombiniert. Zwei oder mehr dieser Paare ergeben eine Strophe.
Hjarðir þat vitu, nær þær heim skulu
ok ganga þá af grasi;
en ósviðr maðr, kann ævagi
síns of mál maga.
Herden wissen’s, wann sie heim müssen,
und gehen dann vom Gras;
aber der unkluge Mann, kennt niemals
seines Magens Maß.
Hávamál, 21
Wie auch das Fornyðislag zeigt diese Form die typische nordische Reduzierung der Gesamtsilbenanzahl, di die An- und Abverse teilweise bis zur Zweisilbigkeit zusammenschrumpfen lässt.
Deyr fé, deyja frændr,
deyr sjalfr it sama,
en orðstírr, deyr aldregi
hveim er sér góðan getr.
Vieh stirbt, Verwandte sterben,
man selbst stirbt ebenso;
aber der Ruf stirbt niemals dem,
der sich guten erwirbt.
Hávamál, 76
Dróttkvætt
Das Hauptversmass der skaldischen Dichtung ist das Dróttkvætt. Der Aufbau dieses Versmass ist verhältnismässig kompliziert. Im Grunde besteht es aus zwei stabreimenden Langzeilen, die zusammen eine Strophe bilden. Es bestehen jeodch einige strenge Regeln und verschärft die schon bestehenden.
Regeln
- Jeder Halbvers muss neben dem Stabreim einen Binnenreim enthalten, der Versanfang und Versende verbindet.
- Jeder Halbvers muss aus genau sechs Silben bestehen.
- Im Anvers sind einzelne Stäbe verboten, es müssen immer beide betonten Wörter staben.
- Das erste Wort des Abverses muss immer staben (in der Langzeile konnten unbetonte Wörter vor dem ersten Stab stehen).
- Jeder Halbvers muss einen trochäischen (-u) Versschluss haben, d.h. der Vers endet mit einem zweisilbigen Wort dessen Versfuss fallend ist.
Der Schrägstrich markiert eine kleine Pause, die die Skalden einfügen, damit der Hörer die teilweise ineinander verschlungenen Inhalte heraushören kann.
Hlýð mínum brag, / meiðir
myrkblás, / þvít kank yrkja,
alltíginn / – mátt eiga
eitt skald – / drasils tjalda.
Lausche meinem Gedicht, / vornehmer
des dunkelschwarzen, / denn ich kann dichten,
Vernichter / – (du) musst besitzen
einen Skalden – / Zeltpferdes
Lausche meinem Gedicht, vornehmer
Vernichter des dunkelschwarzen Zeltpferds,
denn ich kann dichten,
– du musst einen Skalden besitzen.